Die mechanischen Momente.

Der Ausdruck mechanische Momente ist ein von den wenigsten Reparateuren klar erfaßter Begriff und doch charakterisiert derselbe, wie kein zweiter Ausdruck es treffender tun könnte, die Eigentümlichkeit der Nähmaschine. Die Einzelphasen der Herstellung der Naht sind Nadeleinstich, Transport, Fadenanzug und Fadenverknüpfung. Die Organe, welche die Fertigstellung der einzelnen Phasen bewerkstelligen, sind die Organe der Nadelsteuerung, der Transportsteuerung und Regulierung, des Fadenanzuges und der Schiffchen- oder Greifersteuerung.

Jede dieser Einzelphasen setzt sich wieder zusammen aus mehreren Einzelbewegungen, als da sind bei der:
 
Nadelsteuerung: Nadelhub und Nadelfall;
Schiffchen- und Greiferst.: Vor- und Rückgang resp. fortgesetzte Drehung mehr oder minder beschleunigt.
Transporteursteuerung: Transporteurhub, Transporteurschub,Transporteurfall, Transporteurrückgang;
Fadenanzug: Fadengeben und Fadenanziehen;

 
Nr. Nadelsteuerung Schiffchen- oder
Greifersteuerung
Transportsteuerung Fadenanzug Allgemeine
Bemerkung
1) Die Nadel senkt sich bis zur Stichplatte, das Nadelöhr schneidet mit der Stichplatte ab. Nadelfall angefangen. Schiffchen auf dem Rückgange. Transporteur fällt soweit, das er mit der Stichplatte abschneidet. Tranporteurfall angefangen. Fadenhebel senkt sich, hält jedoch den Faden noch straff, bis die Nadel den Stoff berührt. Bis zu diesem Moment hat der Faden straff zu sein, da es sonst vorkommt, das die Nadel den Faden zersticht.
2) Die Nadel fällt bis zum tiefsten Punkt. Nadelfall ist beendet. Rückwärtsbewegung beendet. Vorwärtsbewegung angefangen. Toter Punkt überwunden. Transporteur fällt weiter. Transporteurfall beendet. Rückwärtsbewegung fängt an. Fadenhebel gibt losen Faden und senkt sich bis zum tiefsten Punkt bei Maschinen mit durch Nadelschieber gesteuertem und durch Feder gebremsten Fadenhebel. Ist der Fadenhebel durch Kurve gesteuert, so erreicht der Fadenhebel den tiefsten Punkt erst etwas später. Bei Kurvensteuerung des Fadenhebels sind Fadenhebelsteuerung und Nadelstange dem Momente nach unverrückbar fest zueinander.
3) Nadel hebt sich zur Schleifenbildung. Schleifenhub ist beendet. Die Schleife ist fertig. Schiffchen in der Vorwärtsbewegung begriffen. Schiffchen oder Greifer stehen mit der Spitze direkt vor der Nadel. Rückwärtsbewegung beendet. Stellung unverändert, Faden ist lose. Bei durch Kurve gesteuertem Fadenhebel erreicht derselbe den tiefsten Punkt.  
4) Nadel senkt sich wieder bis zum tiefsten Punkt. Schiffchen oder Greifer gehen mit der Spitze durch die Schleife. Transporteur fängt an, sich zu heben. Transporteurhub angefangen. Faden ist lose.  
5) Nadel hebt sich bis das Nadelöhr auf der Stichplatte aufsitzt. Schiffchen oder Greifer gehen durch die Schleife und ziehen den losen Faden nach unten durch, es ist kein loser Faden mehr über dem Stoff vorhanden. Transporteur hebt sich bis zur Höhe der Stichplatte. Fadenhebel ist über toten Punkt hinweg und fängt seine Aufwärtsbewegung an.  
6) Nadel hebt sich bis zum höchsten Punkt. Nadelhub beendet. Schiffchen oder Greifer setzten ihr Vorwärtsbewegung fort. Der Oberfaden fällt von demselben ab. Transporteur hebt sich weiter. Hub beendet. Fadenhebel setzt seine Aufwärtsbewegung fort. Fadenanzug fängt an. Der lose Faden wird nach oben durchgezogen.  
7) Die Nadel überwindet den toten Punkt und fängt an sich zu senken. Schiffchen oder Greifer setzen ihre Bewegung fort und überwinden den toten Punkt. Rückwärtsbewegung fängt an. Transporteur fängt an zu schieben. Fadenhebel erreicht den höchsten Punkt. Fadenanzug beendet. Fadenhebel fängt an sich zu senken.  
8) Nadel senkt sich wieder bis zur Stichplatte Schiffchen oder Greifer setzen ihre Bewegung fort Transporteur schiebt aus. Schub beendet. Transporteur fängt an zu fallen. Transporteurfall angefangen. Fadenhebel senkt sich weiter. Entspricht dem Punkt 1) der Tabelle.

 
Kleine Abweichungen von obenstehender Tabelle finden hin und wieder statt. Diese haben ihre Ursache in der Bauart der betreffenden Maschine. Bei einer Maschine geschieht nämlich der Fadenanzug, wenn die Nadel noch im Nähmaterial steckt, bei einer anderen, wenn die Nadel schon aus dem Nähmaterial heraus ist. Bei einer Maschine geht der Fadenanzug beschleunigt vor sich, während bei einer anderen Maschinenkonstruktion Auf- und Abwärtsbewegung eine gleichbleibende fortlaufende Geschwindigkeit haben. Das Tempo des Transports ist im Verhältnis zur Umdrehung nicht bei allen Maschinen das gleiche. Regel ist jedoch, daß sich die einzelnen Phasen der Reihe nach vollziehen und der Zeit nach zusammenfallen, wie in obriger Tabelle angegeben ist, wenn auch das Tempo bei dieser oder jener Maschine ein anderes ist.
 
Quelle: Der praktische Nähmaschinenreparateur - Bruno Marpurg (1921)

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