..... Es sollten aber zu gleicher Zeit in Amerika zwei mächtige Neuerungen gemacht werden, die schnell von tief eingreifender Bedeutung für die gesamten Verhältnisse geworden sind. die eine derselben war der Telegraf des Morse, die andere die Nähmaschine des Elias Howe. Beide entwickelten sich im Geiste der Erfinder während des Zeitraumes von 1840 - 1850 bis zu einer für den Weltgebrauch genügenden Vollkommenheit.
Elias Howe jun.,
der Urheber einer der größten Erfindungen der Neuzeit wurde zu Spencer in Massachusetts 1819 geboren. Sein Vater war Farmer und Müller daselbst und Elias, der Sohn, half ihm bei den Obliegenheiten dieser Geschäfte. Im Winter besuchte Elias jun. die Schule. Als er 17 Jahre alt war, entschied er sich, Maschinenbauer und Maschinist zu werden, als ihm einer seiner jungen Freunde von Maschinen in der damals emporgeblühten Stadt Lowell, deren Name ja der Name eines berühmten amerikanischen Ingenieurs war, erzählt hatte. Er trat in eine Maschinenfabrik ein, welche hauptsächlich Spinn- und Webstühle baute. Dort blieb er zwei Jahre.
Von diesem neuen Gedanken geleitet, gelangte Elias Howe jun. bald an das Ziel. Ein in Holz ausgeführtes Modell seiner neuen Nähmaschine überzeugte ihn von der Brauchbarkeit derselben und nun ruhte er nicht an der Vervollkommnung derselben zu arbeiten. Er hatte damals seine Stellung verlassen und lebte bei seinem Vater, wo er durch seine Tischlerarbeiten sein tägliches Brot verdiente. Seine Freunde und Bekannten machten ihm seine ärmliche Lage zum Vorwurf, beschuldigten ihn, seine Zeit zu verträumen und unnütz anzuwenden. Elias aber trug sich fort und fort mit dem Gedanken um, seine Maschine in Eisen auszuführen, um ihre Präzision und Stichhaltigkeit zu erproben, weil er dies bei einer Holzmaschine nicht für möglich hielt. Es gelang ihm einen früheren Schulkameraden für seine Sache zu gewinnen und von demselben Geld zur Ausführung einer eisernen Nähmaschine zu erhalten. Georg Fischer, so hieß derselbe, nahm Elias Howe jun. so lange zu sich in sein Haus, so lange der Bau der Nähmaschine dauerte und stellte 500 Dollar zu Gebote zur Beschaffung der Handwerksgeräte und der Materialien. Dafür verlangte er jedoch später Teilhaber am Patent für die Nähmaschine zu werden. Fischer tat diese alles mehr aus freundschaftlicher Abhängigkeit an seinen Jugendfreund als aus Ueberzeugung von der Trefflichkeit der Erfindung, und es ist diese Handlung um so mehr anzuerkennen, als alle Welt ihn abriet, sich mit Elias Howe jun. einzulassen, der ein Träumer sei. Howe arbeitete nun unablässig und 1845 im April konnte er mit seiner neuen Maschine arbeiten. Ihre Leistung war vollkommen nach Wunsch. Die Maschine machte 300 Stiche per Minute. Howe fertigte selbst damit zwei Tuchanzüge für sich und Fischer an.
Nachdem die Maschine so brauchbar hergestellt war, trat Howe mit derselben an die Oeffentlichkeit. Aber nicht, wie man hätte vermuten sollen, begrüßte man diese Maschine mit Jubel, sondern man trug derselben offene Abneigung entgegen, man glaubte auch gar nicht, daß eine Nähmaschine das zu leisten im Stande sei, was die Hand bewirkte. Die Schneider von Boston, wo Howe seine Maschine hinführte, verhielten sich ebenfalls gleichgültig gegen dieselbe. Da stellte Howe, um endlich die Aufmerksamkeit anzufachen, seine Maschine in die Kleidermanufaktur von Quincy Hall und erbot sich, alles, was man ihm gäbe, zu nähen. Nun kamen einige Leute heran und brachten zugeschnittene Kleider, die Howe in kurzer Frist nähte zur Zufriedenheit der Besitzer, - dennoch war das große Publikum ungläubig. Howe veranstaltete sodann einen Wettkampf zwischen den fünf anerkannt besten Näherinnen und seiner Maschine. Fünf Nähte von gleicher Länge wurden in kürzerer Zeit von der Maschine gefertigt, bevor noch eine der Näherinnen eine Naht vollendet hatte und man erkannte laut an, "daß diese Maschinenarbeit die sauberste und haltbarste sei!" Trotz alledem erhielt Howe keine Bestellung auf seine Maschine. Vielleicht hielt auch der hohe Preis von 250 Dollars die Leute von der Beschaffung zurück.

Man hatte den Namen Elias Howe jun. vergessen, - nicht aber die Nähmaschine. Vielmehr begann sich 1849 die Aufmerksamkeit derselben zu zuwenden. In Staate New York zogen einige Nähmaschinen als Wunderwerke von Stadt zu Stadt und setzten alles in Erstaunen. Howe hörte davon und überzeugte sich, daß diese Maschinen Reproduktionen der seinigen waren. Er demonstrierte dagegen, - Niemand hörte darauf. Da sah er ein, daß er zum Beweise seiner Rechte seine in England verpfändete Maschine und Patent zurückerwerben müsse. Er setzte alle Kräfte daran, jene 100 Dollars zusammen zu bringen, die die Pfändungssumme ausmachten, und forderte dann offen die Nähmaschinenfabrikanten auf, von der weiteren Fabrikation abzusehen, oder das Recht dazu ihm abzukaufen. Mit Hohn antwortete man ihm darauf und so sah sich Howe gezwungen, einen Prozess anzustrengen, der erst 1853 ganz entschieden ward. Die Kosten denselben herbeizuschaffen, veranlaßte Howe mit George W. Bliß in Sozietät zu treten, die bis 1854 gedauert hat.
Jetzt begann die Nähmaschine sich im Publikum Freunde zu erwerben. 1850 finden wir Elias Howe jun. im Besitz einer kleinen Werkstatt zu New York in der Goldstreet. 17 Nähmaschine hatte er bestellt erhalten. Allmählich vergrößerten sich die Bestellungen. Die Prozesse schienen günstigen Verlauf zu nehmen und so ging denn alles gut. Da aber stellte sich ihm in Isaak Merritt Singer ein Gegner entgegen, dessen Einfluß und Zähigkeit Howe den ganzen Vorteil seiner Erfindung zu rauben drohte. Singer baute Howe's Maschine nach, änderte wenig daran, fügte unwesentliche Teile hinzu und suchte nun aus dieser Komposition Vorteil zu ziehen. Singer hatte ein hohes kaufmännisches Talent und wußte aus der Sache etwas zu machen. Er schleuderte mächtige Annoncen in alle Weltteile, er nahm sofort überall Agenten an, er reiste herum und pries laut die Vorzüge seiner Maschine und stellte sie überall aus. Der Erfolg war enorm, aber schon stand Howe bereit, diesen kühnen Plagiator seines Patents von 1846 zu zügeln. Ein mächtiger Prozess entstand. Singer ging auf alle Patente, die bisher auf Nähmaschinen erteilt waren, zurück, ob er nicht konstatieren könne, daß schon vor Howe, die dessen Maschine zu Grunde liegende Idee, wenn auch nur leicht ähnlich benutzt sei. Dabei traf er auf Hunt's Patent und seinen Nachspüren gelang es, Hunt selbst zu entdecken. Die alte seit 1834 auf dem Boden liegende, teilweise zerbrochene Nähmaschine Hunt's ward hervorgeholt, zusammengesetzt, geflickt und verbessert, damit sie gegen Howe ins Gefecht geführt werden könnte. Dennoch gelang dies nicht ganz, es ward vielmehr ersichtlich, daß Hunt's Maschine niemals Resultate gegeben hatte! 1854 endigte dieser denkwürdige Prozess mit dem richterlichen Spruch, "daß Elias Howe jun. der Erfinder, Isaak Merritt Singer aber der Nachahmer sei, und daß kein Zweifel darüber entstehen könne, daß das Publikum die wohltätigen Folgen der Einführung der Nähmaschine Elias Howe jun. zu verdanken habe!"
Diese Entscheidung war von großem Werte, denn sie schnitt jede Anfechtung des Erfinderrechtes Howe's in Amerika, gänzlich ab. Bis dahin hatte das Patent dem Erfinder noch wenig Nutzen gebracht. Jetzt fiel nun der ganze Gewinn, der nur irgend möglich war, Elias Howe jun. zu, ein wohlverdienter Lohn für die bitteren Notjahre, die er für die Nähmaschinen zu erdulden gehabt. Nun stieg das Einkommen Howe's von Jahr zu Jahr und 1867 hatte die Nähmaschine dem Erfinder mehr als 2 Millionen Dollars Gewinn eingetragen. - Freilich hatte Howe noch mancherlei Unannehmlichkeiten zu bestehen, teils durch sogenannter, teils durch wirkliche Verbesserer seiner Maschine und manchen Prozess mußte er noch führen, - allein Howe sah sich doch am erwünschten, ja unerwartet hohen Ziele seiner Arbeit angelangt. Er war zufrieden und leicht konnte man ihn, dem das Gesamtgebiet der Nähmaschinenindustrie tributpflichtig sein mußte, bewegen, 1856 einer Vereinigung der großen, amerikanischen Nähmaschinenfabriken, die des Kampfes gegen ihn und unter sich müde waren, beizutreten, die ihm für jede in den Vereinsstaaten verkaufte Nähmaschine 5 Dollars und für jede exportierte Maschine 1 Dollar Entschädigung sicherte. Daneben durften nicht weiter als 24 Lizenzen für die gemeinschaftlich oder auch besonders angenommenen Systeme von Nähmaschinen an andere Fabrikanten um den Preis von 25 Dollars pro Maschine verkauft werden und auch dafür war die Zustimmung der Gesellschaft nötig. Der Betrag, der durch Verkauf dieser Lizenzen erstand, wurde zur Bildung eines Reservefonds benutzt, mit dem man die Kosten zur Verfolgung von Nachahmern zu bestreiten beabsichtigte. Als Howe's Patent 1860 erneuert ward, reduzierte Howe die Abgaben der Gesellschaft und setzte den Preis für die Lizenz auf 7 Dollars herab. Dabei ist wohl zu beachten, daß jede Maschine Howe tributpflichtig wurde, die nur irgend welchen Teil der Howe'schen Maschine benutzte.
Als in den Vereinigten Staaten der mörderische Bruderkrieg ausbrach, war Elias Howe nicht müßig. Er rüstete in Connecticut ein Regiment aus, nahm aber im Bewußtsein seiner Kriegsunerfahrenheit das Kommando desselben nicht an, sondern diente in demselben als gemeiner Soldat und später als Wagenmeister. 1863 organisierte er eine Kompagnie, deren Präsident er ward, welche in Bridgeport eine großartige Nähmaschinenfabrik etablierte. Das Gebäude der selben ist 200 Fuß lang und 36 Fuß breit, 4 Stock hoch und hat einen Flügelanbau von 130 Fuß Länge in gleichen Dimensionen. In diesen gewaltigen Fabrikräumen sind nun hunderte von Werkzeugmaschinen untergebracht. Unten werden die Gestelle und Hauptteile der Maschinen gefertigt. Im zweiten Stock fügt man die leichteren Teile hinzu und oben bringt man sie auf Tafeln die dort lackiert und poliert werden. Der Direktor der Nähmaschinenfabrik der Howe Company erhält 10.000 Dollars Gehalt. Tausende von Agenten wirken in allen Teilen der Welt für diese Fabrik, mehr aber nützt die, in die Augen fallende Zweckmäßigkeit der Maschine für alle Anforderungen der Näherei zu deren ausgedehnter Verbreitung. - Elias Howe jun. starb am 3. Oktober 1867 mit Zurücklassung eines enormen Vermögens. - Die Ausdehnung des Etablissements "The Howe Machine Company" ist bedeutend; viele Arbeiter finden darin ihren täglichen Lohn seit Jahren. In alle Welt hinaus ist die Howe=Maschine verbreitet in mehreren hunderttausend Exemplaren. - .....
- Quelle:
- Grothe, Hermann: Bilder und Studien zur Geschichte der Industrie und des Maschinenwesens,
Verlag von Julius Springer, Berlin, 1870 - (Text größtenteils in der Ausdrucksweise belassen.)