Praktische Winke für den Nähmaschinenfachmann.
Praktische Winke für den Nähmaschinenfachmann zum Reparieren von Phoenix Nähmaschinen. Baer & Rempel, Bielefeld.
Allgemeine Regeln.
- Ob alle Stellen, an denen der Oberfaden geführt wird, tadellos glatt und nicht von Faden zerschnitten sind.
- Ob das Stichloch in der Stichplatte nicht von der Nadel zerstochen oder unten vom Faden zerschnitten ist.
- Ob der Greifer noch gut, und ob der Greiferhals nicht vom Faden zerschnitten ist.
- Ob die Auflagefläche des Nähfüßchens nicht von Zahnkopf zerkratzt ist.
- Ob die Zähnchen des Zahnkopfes nicht zu sehr abgenutzt sind und noch hoch genug über die Stichplatte kommen.
- Ob der Zahnkopf beim längsten Stich noch ganz ausschiebt.
- Ob die Nadelstange nicht in der Längsrichtung zuviel Luft hat.
- Ob die Nadelstange seitlich keine Luft hat.
- Ob die Armwelle in der Längsrichtung keine Luft hat.
- Ob Maschinen mit Kurvenfadenhebel die Kurvenwalze nicht ausgeschlagen oder die Rolle abgenutzt ist.
- Ob die Unterlegfeder unter dem Vorschiebungsbalken nicht abgenutzt ist.
- Ob der Zugstangengleitstein nicht abgenutzt ist.
- Ob das Spulengehäuse noch gut ist.
Allgemeine Bemerkungen.
§ 1. Wenn man eine Nähmaschine zusammensetzt, so muß man bei jedem Teil, das man anbringt, nachsehen, ob die Maschine sich leicht drehen läßt. Sobald man schweren Gang
bemerkt, darf man kein Stück weiter einbauen. Man darf nicht sagen: "Das läuft sich ein!" Das tut es nicht. Es wird sich festfressen oder verderben. Außerdem kann es dann
vorkommen, daß andere Teile schlecht montiert sind, während man dem ersten die Schuld gibt.
Man sollte dies nicht zu sagen brauchen, aber leider sieht man nur zu häufig
Mechaniker, welche bei Reparaturen die Teile zu lose einpassen, damit die Maschinen nur leicht gehen! Solche Reparaturen sind nicht dauerhaft, klappern in kurzer Zeit und ergeben schlechte Arbeit.
§ 2. Der schwere Gang hat gewöhnlich seinen Grund darin, daß die Teile nicht im Winkel oder nicht parallel sind und sich daher klemmen.
Wenn beim Versand der Nähmaschine eine Kiste fallen gelassen wird, so kommt es vor, daß sich die Armwelle verbiegt, so daß das Handrad schlägt oder sich überhaupt nicht mehr dreht.
Ist die Verbiegung nur gering, so braucht man die Welle nicht herausnehmen. Man nimmt ein Stück hartes Holz und benutzt es als Hebel zwischen Handrad und Arm, bis das Rad wieder rund läuft. Der
Hammer ist hierbei nutzlos. Man setzt den Hebel da an, wo das Handrad am weitesten an den Arm herankommt. — Ist die Verbiegung jedoch stärker, so muß man die Armwelle herausnehmen und wieder
gerade richten.
§ 3. Rotes und schwarzes Garn machen mitunter Schwierigkeiten beim Nähen. Das liegt am Faden und nicht an der Maschine. Beweis: Man nähe mit weißem Faden, und die Naht wird
tadellos werden.
Man nehme bei solchem Garn die Nadel um eine Nummer stärker, als für weißes Garn und schmiere alle Fadenführungen, ohne Oel daran zurück zu lassen. Dasselbe
macht man mit dem Greifer und dem Schiffchenrücken.
§ 4. Wenn die Maschinen längere Zeit nicht im Gebrauch gewesen sind, und sich das Oel zu einem festen Körper verharzt hat, der sich nur schwer entfernen läßt, so kann man
die Reinigung in einfachster Weise folgendermaßen vornehmen:
Man löst etwas Pottasche in warmen Wasser auf und läßt in diesem Bade die Teile über Nacht liegen. Am
folgenden Morgen sind die Teile ganz sauber. Man trocknet sie ab, bringt sie ins Petroleum und sodann in Oel. Das Pottaschebad kann mehrmals benutzt werden, wenn man immer etwas frische Pottasche zusetzt.
Dieses Verfahren ist nur bei blanken, nicht lackierten Teilen anzuwenden, da die Pottasche den Lack zerstört.
Nachstehend teilen wir noch einige Beispiele aus der Praxis mit, die für den Reparateur von Interesse sind.
§ 5. Die Wichtigkeit der Verwendung guter Nadeln wird durch folgenden Fall illustriert:
Ein Schneider aus der hiesigen Umgegend bringt uns nach längerem Briefwechsel seine
Phoenix E in die Fabrik, da er mit ihr nicht fertig wird. Es stellte sich heraus, daß er eine Nadel billigster Sorte eingesetzt hatte, deren Fadennut nicht richtig ausgebildet war, so daß sich keine
richtige Schleife bildete, und die Maschine daher nicht nähen konnte. Nach einsetzten einer Lammertz-Nadel, Syst. 287, war der Fehler behoben und die Maschine nähte tadellos. — Solche Fälle
kommen häufig vor. Natürlich heißt es dann, die Maschine taugt nichts, während es in Wirklichkeit an der Nadel liegt. — Gute Nadeln von Lammertz oder Wolf, Knippenberg & Co. bilden
ein Haupterfordernis für eine gute Nähmaschine.
§ 6. Die Nadeln müssen aber auch richtig benutzt werden. So ist es vorgekommen, daß dünne Spezialnadeln für Wäsche, die zur möglichsten Verminderung des Vibrierens einen sehr langen Kolben haben, für andere Arbeiten mit starken Kappnähten verwendet wurden. Natürlich drang der lange Kolben in die Stofflage ein, wodurch Stichauslassen und Fadenreißen verursacht wurden.
§ 7. Fehlstiche entstehen, wenn
- die Nadel oder ihre Spitze verbogen ist,
- die Nadel zu dicht an der Kante des Stichlochs einsticht,
- die Nadel unrichtig eingesetzt ist,
- die Nadel zu weit vom Schlingenfänger absteht,
- der Fadengeber unrichtig funktioniert,
- der Faden zu scharf gedreht ist,
- der Faden ölig ist,
- im Faden dickere Stellen oder Knoten vorkommen,
- der Stoffpresser nicht genug Druck auf den Stoff ausübt,
- das Füßchen nicht gehörig niedergelassen ist, oder für dünnen Stoff ein zu großes Stichloch hat.
§ 8. Stichauslassen beim Nähen über Quernähte oder beim Übergang von dickem auf dünnem Stoff läßt sich manchmal dadurch beseitigen, daß man mit der Hand
einen leichten Druck auf den Stoff ausübt und ihn so zurückhält. — Außerdem muß die Nadel genau zum Faden passen, die Greiferspitze darf nicht zu weit von der Nadel stehen und der
Greifer muss richtig kommen, um die Schleife sicher zu erfassen.
Mitunter liegt es auch am Garn. Auch ist die Verwendung eines Nähfüßchens mit zu kurzer oder gelenkiger Auflage oder langem
allmählich aufsteigendem Vorderteil zu empfehlen. Diese Füßchen bieten gleichzeitig den Vorteil, daß sie leichter über Quernähte oder andere dicke Stellen hinweggehen.
Allerdings ist ein solches Füßchen beim Säumen mit der verstellbaren Säumer hinderlich. Besser ist dann ein Fuß mit gelenkiger Auflage (Scharnierfüßchen).
Wenn die
angebotenen Mittel nicht helfen, ist es am besten, uns die Maschine mit dem Nähgarn einzusenden.
§ 9. Die Naht erscheint ungleich, wenn
- die Spannungseinrichtung für Ober- und Unterfaden nicht in Ordnung sind, so daß die Spannung der Fäden durch sie nicht regelrecht erfolgt.
- die Fäden sich irgendwo wegen fehlerhafter Leitung klemmen,
- die Fäden unrichtig eingefädelt sind,
- die Fäden dicke Stellen oder Knoten haben,
- die Garnrolle sich nicht leicht genug auf den Stift dreht,
- die Unterfadenspule zu voll oder unregelmäßig bewickelt ist, oder sich unregelmäßig dreht,
- Schlingenfänger und Nadel unrichtig zusammen arbeiten,
- der Fadengeber zu früh den Faden losläßt, so daß die Nadel in den Faden hineinsticht,
- der Stoffschieber wackelig ist, unrichtig arbeitet oder seine Zähnchen nicht hoch genug aus der Stichplatte herauskommen,
- der Stoffpresserfuß nicht genug Druck ausübt.
§ 10. Lose Stiche und Schlingen entstehen, wenn
- die Oberfaden- und Unterfaden-Spannung zu schwach ist; ist fast keine Oberfadenspannung vorhanden, so entstehen auf der Unterseite des Stoffes Schlingen, weil der Schlingenfänger zu viel Oberfaden abzieht,
- der Oberfaden nicht regelrecht über den Schlingenfänger geführt wird und irgendwo hängen bleibt,
- die Nadel zu tief steht.
§ 11. Knoten bilden sich im Unterfaden bei Schiffchennähmaschinen, wenn der Unterfaden durch die Fadenleitfeder des Schiffchens nicht von der Nadel entfernt gehalten wird und hinter diese gelangt.
§ 12. Der Nadelfaden kann reißen, wenn
- das Nadelöhr zu scharf ist,
- das Nadelöhr bei der Schlingenbildung zu hoch über dem Schlingenfänger steht,
- die Nadel zu dicht am Rande des Stichloches vorbeigeht,
- der Schlingenfänger rostig ist,
- die Füßchen oder Stichplatte schartig sind,
- der Faden Knoten hat oder brüchig ist,
- die Nadel zu fein für den Faden ist,
- der Oberfaden nicht regelrecht über den Schlingenfänger geführt wird,
- der Fadengeber nicht richtig arbeitet, indem er zu wenig oder zu zeitig Faden gibt, und im letzteren Falle die Nadel ihren eigenen Faden zersticht. Auch reißt der Faden, wenn der Fadengeber den Oberfaden zu zeitig anzieht,
- der Nadelkanal bei Schiffchenmaschinen zu flach ist, so das der hintere Faden ebenfalls nach vorne geworfen wird und so zwei Schlingen vom Schiffchen erfasst werden.
Falls der Faden bei hochstehender Nadel unterhalb des Öhrs gerissen ist, so ist das meistens die Stichplatte oder das Füßchen schuld daran. Ist er oberhalb des Öhrs gerissen, so ist der Schlingenfänger oder sein Treiber der schuldige Teil. - der Oberfaden von der Garnrolle abgefallen ist und sich um den Stift gelegt hat.
§ 13. Der Unterfaden kann reißen, wenn
- die Unterfadenspannung zu stark ist,
- Knoten oder dicke Stellen im Garn vorhanden sind,
- der Unterfaden sich in den Klauen des Schiffchenkorbes aufhängt,
- die Fadenwege des Schlingenfängers schartig sind,
- die Stoffschieberzähnchen zu scharf sind, so daß sie den Faden kurz abschneiden,
- das Stichloch und die Stichplatte schartig sind.
§ 14. Der Stoff wird nicht regelmäßig fortgeschoben, d. h. die Stichlänge ist verschieden, wenn
- der Stoff ungleichmäßige Stärke besitzt, in welchem Falle die Nachhilfe von Hand in vorsichtiger Weise zu geschehen hat,
- der Fuß nicht ganz niedergelassen ist, oder wenn dies doch der Fall ist, der Stoffpresser nicht Druck genug ausübt,
- auf der Unterseite des Stoffes sich wegen zu geringer Oberfadenspannung Schlingen bilden, die sich im Stichloch festsetzen,
- der Faden irgendwo festgeklemmt wird,
- die Stoffschieberzähnchen sich abgenutzt haben und nachgeschärft werden müssen. Oder wenn sie nicht hoch genug aus der Stichplatte herauskommen oder auch nicht tief genug sinken.
- die Stoffschieberöffnung in der Stichplatte mit Stoffabfällen verunreinigt ist.
- der Stichsteller nicht fest eingestellt ist,
- der Stoffschiebermechanismus im ganzen wegen erfolgter Abnutzung nicht mehr regelrecht arbeitet.
- der Stoffschieber schon schiebt, wenn die Nadel sich noch in der Stichplatte befindet, oder wenn die Nadel in den Stoff sticht, wenn der Stoff noch geschoben wird.
§ 15. Die Nadel kann brechen, wenn
- die Nadel verbogen ist,
- der Schlingenfänger die Nadel streift,
- beim Heraufholen des Unterfadens der Nadelfaden zu straff gehalten wird, wodurch sich die Nadel verbiegt und beim Niedergang auf die Stichplatte stößt,
- der Stoff harte Stellen hat,
- der Stoff von Hand zurückgehalten oder vorgezogen wird,
- der Nadelfaden Knoten hat, die das Öhr nicht passieren,
- der Unterfaden gerissen oder verbraucht ist und noch fortgenäht wird.
§ 16. Die Drehrichtung der Phoenixmaschinen von vorn nach hinten muß neuen Kunden besonders eingeschärft werden. Es ist schon vorgekommen, daß uns Maschinen eingesandt wurden, die nicht nähten, nur weil sie verkehrt gedreht wurden. Eine Ausnahme machen die Maschinen G, J, R, S und U, die sich nach vorne drehen.
§ 17. Unrichtig zusammengesetzte Maschinen die Seitens eines Laien auseinandergenommen worden sind, können natürlich auch nicht nähen. Man achte darauf, daß das kleine Wechselgelenk am Ende der großen Zugstange, die die Greiferwelle antreibt, bei den D-, E-, und F-Maschinen die Kurbel zieht, nicht schiebt. Ebenso muss bei den M- und N-Maschinen das Gelenk an der Armwellenkurbel die Kurbel des Fadenaufnehmers ziehen, nicht schieben. Die letztere Kurbel muß bei älteren Maschinen mit der Kurbel an der die Fadenaufnehmerscheibe befestigt ist, nach derselben zeigen.
§ 18. Die Greiferdeckelschraube bei Brillenlosen Maschinen (L, H, M, N)) muß stets fest angezogen werden was von den Näherinnen häufig unterlassen wird. Ebenso muß die Nadel stets so hoch sie geht in die Nadelstange hineingeschoben werden, sonst wird der Greifer beschädigt, und der Faden reißt.
§ 19. Die Spannungen sind deswegen verstellbar, damit sie jedesmal richtig eingestellt werden, wenn feines oder grobes Garn verarbeitet werden soll. Man kann nicht verlangen, daß eine Maschine mit der gleichen Spannung die verschiedenartigsten Garne und Stoffe verarbeitet.
§ 20. Krausnähen bei dünnen Stoffen ist in der Regel auf Eigenschaften des Materials zurückzuführen, die eine besondere Berücksichtigung bei der Einrichtung der Maschine erfordern. Man achte jedoch auch darauf, daß der Nähfuß an allen Stellen gleichmäßig auf dem Zahnkopf aufliegt. Um Krausnähen zu verhindern, ist es vor allen Dingen erforderlich, mit möglichst leichtem Füßchendruck und leichten Fadenspannungen zu arbeiten. Wo dieses einfache Mittel nicht genügt, empfehlen wir die Verwendung des Nähfüßchens mit langer Auflagefläche. In besonderen Fällen, wie z.B. beim Nähen von sehr dünnen Mullstoffen, ist es auch nützlich, der Fadenanzugfeder durch Regulierung der Schraube im Innern des Stirndeckels einen weicheren Anschlag zu geben.
§ 21. Das Verschieben von zwei gleichen Stofflängen, wenn sie zusammengenäht werden, ist eine Erscheinung, die in der Natur der Vorschiebung begründet liegt. Die Ursache dafür liegt in dem Umstand, daß die untere Stofflage vom Zahnkopf direkt erfaßt und kräftig vorgeschoben wird, während die obere Lage nur durch die Reibung zwischen den beiden Stofflagen folgt. Eine ziemlich gleichmäßige Vorschiebung läßt sich dadurch erreichen, daß man auch hier mit möglichst leichtem Füßchendruck arbeitet und, wo es nötig ist, den Nähfuß mit langer Auflagefläche verwendet, um die Reibungsfläche zwischen den beiden Stoffen zu vergrößern.