Die eiserne Mamsell

William O. Grover


grover … Auch auf dem Wege der Substitution der Howe'schen Anordnung durch die originell angeordnete Vorrichtung zum durchführen des Bindefadens sucht ein Schneider zu Boston, William O. Grover, berechtigt neben Elias Howe jun., für den Bau der Nähmaschine auftreten zu können. Grover benutzte darin den Doppelkettenstich. Er ließ sich seine Maschine 1851 und 1852 patentieren und errichtete mit William E. Baker zusammen eine großartige Fabrik, die in kurzer Zeit gewaltig emporblühte und stets an Ausdehnung gewann. 1858 - 1863 lieferten Grover & Baker allein 59.833 Stück und im Jahre 1866 / 67 - 32.999. …

Quelle:

Grothe, Hermann: Bilder und Studien zur Geschichte der Industrie und des Maschinenwesens,
Verlag von Julius Springer, Berlin, 1870 - (Text größtenteils in der Ausdrucksweise belassen.)

Die Grover & Baker Schnurstichmaschine (Doppelkettenstich) - Funktionsbeschreibung.

Der U-förmig gestaltete Nadelarm schwingt in Spitzschrauben, die etwa 10 mm über dem Fundament liegen, sodaß die gebogene Nadel die Nähplatte möglichst unter einem Winkel von 90° trifft. Der Arm ist so einzustellen, daß die Nadel genau in die Mitte des Stichlochs einsticht. Der unter der Nähplatte auslaufende Schenkel des Nadelarms ist zu einer Kulisse ausgebildet, in welcher ein Gleitstein läuft, der auf einer mit der Antriebswelle rotierenden Scheibe sitzt; diese Scheibe dient gleichzeitig als grover Stoffschiebeexzenter. Durch ihre Drehung erhält der Näharm seine Bewegung. Vor der Kulisse des Arms sind Stahlschienen aufgeschraubt, die in der Mitte einen Schlitz bilden, in welchem die Zirkuliernadelspindel mit ihrem unter 45° gewundenen Schraubengang spielt. Die Zirkuliernadelspindel empfängt von der an ihr auf- und abgleitenden, die Stelle einer Schraubenmutter vertretenden Stahlschienen die erforderliche Oszillation von 240°. Das untere spitze Ende der Spindel läuft in einer Schraube mit Hohlkörner; oberhalb der Windung wird sie in einem Halslager gehalten. Sie nimmt an ihrem oberen Ende die in einem Zapfen endigende Zirkuliernadel auf, welche mittels Schraube mit ihr verbunden wird. Da die Zirkuliernadel in der unteren und oberen Stellung der Nähnadel still stehen muss, so ist die Spindel nach beiden Seiten hinaus geradlinig verlängert. Der Ausschub des Stoffschiebers findet statt, wenn die Nadel in ihre höchste Stellung gelangt. Der totale Nadelhub ist 32 mm, 17 mm geht die Nadel unter, 15 mm über die Nähplatte. 3½ mm liegt die Spitze der Zirkuliernadel unter der unteren Fläche der Stichlochplatte. Die Fadengebung der Maschine ist eine ganz eigentümliche und abhängig von dem am Arm angeschraubten Stabe und der um diesen sitzenden Schraubenfeder, sowie von der am Nadelarm angebrachten Klemmspannung. Der Oberfaden passiert den Schlitz des Stabes oberhalb der Feder und wird von dieser beständig nach oben gerdrückt. Die Klemmspannung hält den Faden nur in dem Augenblick fest, wenn die Schlingenbildung stattfindet, und setzt dadurch die Schraubenfeder außer Tätigkeit, die sonst jede Schlingenbildung unmöglich machen würde. Die Länge des Schlitzes ist gleich der Nadelsenkung unter die Nähplatte.
Beim Niedergang der Nadel unter die Nähplatte wird der erforderliche Faden zunächst durch zusammendrücken der Schraubenfeder entnommen. Hat der Faden das Ende des Schlitzes erreicht, so wird die bisher auf der Zirkuliernadel festgehaltene Schlinge frei; die weiter hinuntergehende Nadel verbrauch den frei gewordenen Faden und zieht, ehe sie ihre tiefste Stellung erreicht, frischen Faden für den nächsten Stich von der Garnrolle ab. Der Fadenanzug erfolgt also in der tiefsten Nadelstellung; dies ist ein Uebelstand, da Nadel und Faden hierdurch ungebührlich in Anspruch genommen werden. Die Bewegung der Zirkuliernadel vollzieht sich in folgender Weise: Hat die Nadelspitze die Stichplatte erreicht, so dreht sich die Zirkuliernadel von links nach rechts um die obere Nadel herum und gelangt mit ihrer Spitze etwa dann vor die Nadel, wenn diese um 20 mm von ihrer höchsten Stellung entfernt steht, dann geht die Zirkuliernadel aus der auf ihr sitzenden Schlinge heraus, und diese wird frei für den Fadenverbrauch der oberen Nadel. Die Zirkuliernadel setzt ihre Drehung im selben Sinne noch fort und bleibt stehen, wenn ihre Spitze sich um 3 mm von der Nadel entfernt hat. Kurz vor Vollendung des Schlingenhubes dreht die Zirkuliernadel sich von recht nach links also im entgegengesetzten Sinne von vorhin und tritt dann in die Schlinge des Nadelfadens ein. Die Zirkuliernadel bleibt dann solange unbeweglich, bis die aus der Stichlochplatte austretende Nadelspitze diese beim Niedergange wieder erreicht.
Ihrer ganzen Bauart nach ist diese Maschine nur wenig reparaturbedürftig, ihre dicke, wulstige dreifädige Naht ist für sie ein Hindernis gewesen, den Hang zur Familiennähmaschine zu behaupten. Sie findet noch als Zierstichmaschine in einigen Gewerben Verwendung und wird auch als Spezialmaschine mit mehreren Zirkuliernadeln gebaut. Das man oben und unten von käuflichen Garnrollen näht, ist ein Vorzug der Maschine.

Quelle:

Lind, H.W.: Die Fabrikation von Nähmaschinen und die Reparaturen derselben
A. Seydel, Berlin, 1891 - (Text größtenteils in der Ausdrucksweise belassen.)

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